Eigentumskonzepte und Eigentumskonflikte in der Privatisierung. Kommunale Selbstverwaltung und kommunales Eigentum im östlichen Europa seit 1990

Projektbeschreibung

Privatisierung und Selbstverwaltung waren in den osteuropäischen Transformationen der 1990er Jahre eng miteinander verflochten. Ausgehend von den Entwicklungen in Polen untersucht das Teilprojekt, wie Unternehmenseigentum im Zuge der postsozialistischen Reform der lokalen Selbstverwaltung neu konzipiert, politisch verhandelt und ausgestaltet wurde. Es fragt nach Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Selbstverwaltung, Privatisierungsprozesse unter den jeweiligen ökonomischen, rechtlichen und globalen Rahmenbedingungen mitzugestalten und deren gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern. Fragen der Entbettung wie der Wiedereinbettung von Eigentum durch staatliches Handeln und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse stehen somit im Mittelpunkt des Teilprojekts.

In dieser Förderphase werden die Forschungen zu Polen auf der Grundlage neu erschlossener Archivbestände weitergeführt und durch einen Vergleich mit der Ukraine analytisch auf eine neue Ebene gehoben. Für Polen stehen neben drei Fallstudien zu Danzig, Warschau-Wola und Starachowice die nunmehr erstmals zugänglichen Archivbestände des Ministeriums für Eigentumstransformation im Mittelpunkt der Untersuchungen. Diese lassen vertiefte Einblicke in das Zusammenspiel von politischen Privatisierungsstrategien und lokaler Selbstverwaltung erwarten und bieten somit eine geeignete Grundlage für einen auf nationaler und lokaler Ebene ansetzenden Vergleich.

Ein Schwerpunkt liegt in der vergleichenden Perspektive auf Eigentumskonflikten in der postsowjetischen Ukraine. Anders als in Polen gab die relative Schwäche staatlicher und kommunaler Institutionen hier einer Insiderprivatisierung breiten Raum, und die Transformation der Eigentumsordnung fand unter den erschwerten Bedingungen langfristiger ökonomischer Instabilität statt. Studien des  ukrainischen Projektpartners zum zentralukrainischen Kryvyj Rih deuten auf eine enge Verflechtung der kommunalen Verwaltung mit dem Management privatisierter Betriebe hin. Diese Konstellation engte die Spielräume öffentlicher Institutionen zur strategischen Steuerung oder gar Gestaltung privater Eigentumsverhältnisse massiv ein. Vorläufige Befunde zur Verflechtung von Privatisierungsprozessen zwischen Polen und der Ukraine lassen zudem vermuten, dass unklare Eigentumsverhältnisse und Zuständigkeiten einzelne Pläne zur tragfähigen Weiterentwicklung industrieller Kompetenzen massiv behinderten.

Mit diesen Fallstudien erweitert das Teilprojekt zentrale Fragestellungen des Sonderforschungsbereichs zu Eigentum als gesellschaftlicher Basisinstitution um eine vergleichende Perspektive auf soziale und politische Dynamiken des Strukturwandels des Eigentums in einer tiefgreifenden zeithistorischen Umbruchphase. Dabei fokussiert es insbesondere auf die sozioökonomischen, politischen und diskursiven Grenzen des Privateigentums in diesen Umbrüchen. Damit legt es wesentliche Grundlagen für die systematische Untersuchung von „varieties of property regimes“. Als paradigmatische und empirisch gehaltvolle Fälle für einen ostmitteleuropäischen und einen postsowjetischen Transformationspfad bieten sich Polen und die Ukraine in besonderem Maße dafür an, konzeptionelle Grundlagen für einen solchen komparativen Analyserahmen zu erarbeiten.

Aktivitäten des Projektes

Veröffentlichungen

wissenschaftliche Publikationen
  • Peters, Florian (2024): „Die Wiederaneignung der postsozialistischen Stadt. Kommunale Selbstverwaltung und kommunales Eigentum in Polen nach 1989“, in: Berliner Journal für Soziologie, 34, H. 3, (i. E.).
  • Peters, Florian (2024): „'They all talk about Free Market, but…' Conceptions of Capitalism and Privatisation in Post-socialist Poland and East Central Europe", in: Martin Schulze Wessel / Darina Volf (Hrsg.): Out of Sync: The Uneven Development of East Central Europe since 1989 (Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum. 43), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, (i. E).
  • Peters, Florian (2024): „Old Walls Crumble, New Barriers Appear. Polish Perspectives on German Reunification and European Integration", in: Kiran Klaus Patel (Hrsg.): Tangled Transformations: Unifying Germany and Integrating Europe, 1985–1995, Toronto: University of Toronto Press.
  • Peters, Florian (2024): „Shock Therapy Mythologies. Contested Memories of Poland’s Balcerowicz Plan“, in: Joanna Wawrzyniak / Veronika Pehe (Hrsg.): Remembering the Neoliberal Turn. Economic Change and Collective Memory in Eastern Europe after 1989. London: Routledge, 22–38.
  • Peters, F.; Rinne, J.; Saalfeld, R.; Schmalz, S.; Stuart, A.; Weth, L. von der (2024): Eigentumskonflikte - eine Typologie. Hg. v. Sonderforschungsbereich/Transregio 294 „Strukturwandel des Eigentums“ (Working Paper Nr. 5). https://sfb294-eigentum.de/media/filer_public/f9/08/f908691c-7aaa-424c-831b-71e7818ee46b/wp_05_fin.pdf.
  • Peters, Florian (2023a): Von Solidarność zur Schocktherapie. Wie der Kapitalismus nach Polen kam, Berlin: Ch. Links.
  • Peters, Florian (2023c): „Inflation und Schocktherapie. Polnische Transformationserfahrungen", in: Mittelweg 36, 32, H. 6, 108–126.
  • Peters, Florian (2023d): „Neoliberal Takeover? How the Social History of Economic Ideas Contributes to Historicising Post-socialist Transformations", in: Forum Historiae, 17, H. 2, 1–12.
Medien und Podcasts
  • Peters, Florian: Property rights versus tenants: Interview mit Beata Siemieniako zur Restitution von Mietshäusern in Polen. Episode der Podcasts „Urban Political“ und „appropriate“, 30.11.2023.

Veranstaltungen

Projektbeteiligte